Buchempfehlung: Kleidung und Waffen der Spätgotik

Leider ist es sehr schwierig gute Literatur für den Einstieg in die Waffen- und Kostümkunde zu finden. Entweder sind die empfehlenswerten Werke sehr spezialisiert und meist teuer, oder behandeln das Thema zu oberflächlich und ungenau.
Die Reihe Kleidung und Waffen der Spätgotik, von Ulrich Lehnart, selbst historischer Darsteller und Historiker, versucht diese Lücke zu schließen und auch 12 Jahre nach erscheinen des letzten Bandes steht sie damit recht allein auf weiter Flur.
Da er unserer Zeitstellung am nächsten kommt, wollen wir hier den dritten Band behandeln der die Kleidung und Mode der Jahre 1420 bis 1480 behandelt. Die Qualität der anderen Bände ist aber mit diesem durchaus vergleichbar.

Cover Kleidung und Waffen des Spätmittelalters III

Alle Bände weisen je zwei Teile auf, Teil 1 mit der Kleidung, Teil 2 mit Waffen und Rüstungen. 
Dazu gibt es jeweils einige Farbtafeln mit sehr brauchbaren Beispielen. 

Teil eins des vorliegenden Bandes teilt sich noch einmal in die Herren und Damenmode. Erstere wird abermals in die Zeitabschnitte 1420 bis 1450 und 1450 bis 1480 aufgeteilt, angesichts der großen Veränderung in dieser Zeit eine sehr sinnvolle Herangehensweise. Ebenso die Aufzählung von innen nach Außen von der Unterwäsche über die Oberbekleidung bis zu den Accerssoirs. Bei den Damen sogar um eine kurze Stoffkunde ergänzt.
Hierbei gelingt es Lehnart trotz des begrenzten Platzes auch noch kurze Ausblicke in die wichtigsten europäischen Modeströmungen zu werfen und so die burgundische und die süddeutsche Mode zu vergleichen, wenngleich der letztere Begriff aus heutiger Sicht unglücklich gewählt ist.

Überhaupt merkt man dem Buch das Alter ein wenig an. Die Leistung Lehnarts liegt mit seinen Büchern neben der prägnanten Schreibweise vor allem darin damals unter historischen Darstellern nahezu unbekannte Quellen wie z.B. die Munderkinger Passion zu erschließen und bekannt zu machen. Inzwischen sind aber solche Unmengen an Vorlagen per Internet zugänglich, dass zwangsläufig auch der Forschungsstand ein anderer ist. 
Dennoch ist der allergrößte Teil der Aussagen noch immer korrekt und dem praktischen Nutzen für den interessieren Laien tut der Umstand auch keinen Abbruch. 
Zumal Lehnart sein Buch mit einer ganzen Reihe an Bildtafeln und schematischen Grundschnitten versieht.

Der zweite Teil über Rüstungen kann aber auch heute noch als Grundlage bedingungslos empfohlen werden.
Nach einer Einleitung über das Plattnerhandwerk und einem lesenswerten Artikel über Kompositharnische in der musealen Darstellung, entwirft der Autor eine Stilkunde die die Rüstungen der Zeit von 1420 bis 1480 in einen Italienschen Stil, einen Exportstil mit jeweils englischen, französischen und deutschen Eigenheiten und einen deutschen Stil unterteilt. Natürlich kann man diese Stile nicht trennungsscharf betrachten und es gibt etliche Unschäften, stilistisch passen diese Unterteilungen aber gar nicht schlecht auf die erhaltenen Stücke. Man muss sich nur von der Idee trennen, dass der Name des Stils unbedingt auf den Herstellungsort übertragbar sei. So kann ein „italienischer Exportharnisch“ durchaus mitten im Reich geschlagen worden sein, er folgt stilistisch dennoch besagtem Exportstil der von italienischen Plattnern für den deutschen Markt entworfen wurde.

Der ganze Rüstungsteil, der auch exotischere Stücke wie Brigantinen und Textilpanzer vorstellt ist ausgesprochen gut, mit Fotografien von Originalen und hochwertigen Reproduktionen illustriert und da bis heute vergleichbare Einführungen in die Rüstungskunde fehlen, nimmt nach wie vor dieses Buch den Platz als empfehlenswerter Leitfaden ein.

Das abschließende Kapitel über Waffen ist eine gute Ergänzung, wenngleich dieses Thema in so kleinem Rahmen kaum ausreichend behandelt werden kann.

Kleidung und Waffen im Spätmittelalter III kann also nach wie vor jedem Interessierten an der Mode und Waffentechnologie des 15. Jahrhunderts, empfohlen werden. 
Leider ist der erste Band der Reihe kaum noch zu bekommen, auch antiquarisch. Band 2 und 3 sind aber problemlos erhältlich, ebenso der Vorgängerband „Kleidung und Waffen der Früh- und Hochgotik“.

Leider sind die Bände kaum über die üblichen Anbieter wie ZVAB oder Booklooker zu bekommen. Daher an dieser Stelle nur der, wie immer kommerzielle Link zu Amazon.

 

Hinterlassen Sie eine Antwort