Lebenshaltung in Frankfurt des Jahres 1475, Teil 2: Löhne und Einkünfte

In diesem Teil unserer kleinen Reihe über die Lebenshaltung im Frankfurt des Jahres 1475 kommen wir zu den Einkünften der Frankfurter Einwohner. Damit kommen wir natürlich auch zu den sozialen Schichten.
Die Angaben erfolgen in Rechenwährung, ob nun der Betrag dann so ausgezahlt wurde oder in Umlaufwährung umgerechnet wurde, lässt sich nicht sagen.

TagelöhnerEine wunderbare Quelle für die unteren Einkommensschichten ist eine Verordnung des Frankfurter Rates über Tageslöhne, was schon zeigt das dieses Thema öffentliches Interesse berührt.
Darin wird jeweils zwischen Sommer und Winter, sowie zwischen Lohn ohne und mit Verpflegung unterschieden. Die Unterscheidung zwischen Sommer und Winter dürften mit der täglichen Arbeitszeit begründet sein.  Bei auswärtiger Beschäftigung ist auch die Verpflegung geregelt, so gab es eine Frühstückssuppe, Mittagessen und ein Vesperbrot, aber ausdrücklich kein Abendessen.

Ein Beispiel sollen hier die Zimmerleute und Schieferdachdecker sein, die 5 Schilling Heller (45 Heller) bzw. 3 ½ Schilling Heller (31 ½ Heller) im Sommer und 4 Schilling Heller (36 Heller) bzw. 3 Schilling (27 Heller) im Winter bekamen.

Aus dieser und weiteren Quellen, dem Jahresmittel und ausgehend von 250 Arbeitstagen im Jahr, eine sehr niedrig angesetzte Anzahl, ergeben sich die folgenden Tages- und Jahreslöhne:

Lohnliste
 
Sehr viel niedriger sind in der Verordnung die festgelegten Löhne für Frauen, die z.B. bei Arbeit im Weinberg nur
10 bis 12 Heller am Tag bekamen.

Dazu zum Vergleich weitere Berufe:

Ein Soldknecht im Aufgebot nach Neuss 1474/75:  4 fl im Monat
Bäcker:   28 bis 35 fl im Jahr
Schneider (bei Arbeit im Haus des Kunden):   20 fl im Jahr
Ein Priester mit Pfarrstelle:  80 fl im Jahr
Benediktinermönch:   40 fl im Jahr + 5,5 fl für Kleidung

Spitalsschreiber:   25 fl im Jahr bei freier Kost und Logis
Städtischer Schreiber 3. Klasse:   52 fl im Jahr
Steuerschreiber in Nürnberg:   84 fl im Jahr
Stadtschreiber in Nürnberg:   200 fl im Jahr
Stadtschreiber in Frankfurt (1440):   100 fl im Jahr, auf Lebenszeit bestellt, 1 fl in der Woche bei Arbeitsunfähigkeit

Münsterbaumeister in Ulm:  90 fl im Jahr bei freier Unterkunft
Stadtadvokat in Frankfurt:    80 bis 150 fl im Jahr
Stadtarzt in Frankfurt:  10 fl im Jahr und 20 fl für Kleidung
Erster Wundarzt in Frankfurt:   30 fl im Jahr
Geschützmeister (inklusive 2 Gesellen):   90 fl im Jahr

Gerade die Bezüge städtischer Angestellter sind oftmal lediglich gedacht um sich der Dienste der jeweiligen Personen zu versichern. Die tatsächlichen Bezüge sind immer dann, wenn exakte Zahlen vorliegen ungleich höher.
Vor allem die beiden Zahlen für Stadtarzt und Wundarzt sind sehr niedrig, ein Berner Wundarzt hat in der gleichen Zeit über seine städtischen Bezüge noch zwischen 54 und 121 fl verdient.

DienerGesindelöhne sind nicht leicht festzustellen, denn hier gibt es eine enorme Bandbreite. In Nürnberg hat es im Kirchenspiel St. Leonhard z.B. 123 Mägde, die zwischen 1,13 fl und 3,4 fl im Jahr erhalten, wobei der größte Teil um 2,5 fl liegt.
Auch hier spielt das Geschlecht eine große Rolle, Knechte liegen grob gesagt etwa beim doppelten.

Daraus kann man einige Einkommensklassen einteilen.

Gesinde: zwischen 2 und 6 Gulden im Jahr
Tagelöhner: 14 bis 20 Gulden
Gesellen: 20 bis 50 Gulden
Meister: 30 bis 60 Gulden
Akademiker und hohe städtische Angestellte: 80 fl und mehr

 

Patrizer werden weniger an ihrem Einkommen gemessen, wobei Claus Stalburg als Erbe 45.000 Gulden erhielt. Um 1450 zahlte Wigand von Heringen eine der höchsten Steuern in der Stadt, nämlich 132 Pfund Heller.

Mit den Lebenskosten, werden wir uns im nächsten Teil genauer befassen, aber aus den Quellen kann man ablesen, das 25 Gulden im Jahr als das gesehen wurden, was man zum Leben in einem Jahr benötigt und 50 Gulden sind ein hinreichendes Einkommen für eine Familie der Mittelschicht.
Daraus kann man aber ebenso absehen, das etliche Berufe unter dieser Grenze bleiben, wobei man dann davon ausgehen muss, dass der reine Lohn nicht die einzige Einnahmequelle war.
Entweder der betreffende verkauft außer der Lohnarbeit noch Waren, oder weitere Familienmitglieder verdienen zusätzlich. Letztlich ist auch Eigenversorgung immer ein Thema, selbst in den Städten.
Einige Berufe sind auch gar nicht darauf ausgelegt als einzige Einnahmequelle zu dienen. So werden z.B. die Türmer und Zöllner erschreckend gering entlohnt, gleichzeitig sind die Zeiten in denen sie anderen Berufen nachgehen können detailliert genannt.
Beim, ebenfalls auffallend schlecht bezahlten, Gesinde kommt zum Lohn natürlich noch Kost, Logis, Kleidung oder Stoffgaben und an Feiertagen Trinkgelder.

WundarztSozialer Stand:

Einfacher als über Einkommen lässt sich eine ungefähre Vorstellung des sozialen Standes bilden, wenn man einen Blick auf das zu versteuernde Vermögen zu wirft. Für Frankfurt finden wir dabei folgende Verteilung:

Steuerfreibetrag Frankfurt: 1/3 des Wohnhauses, 1 Pferd, eine Kuh, Hausrat, Kleider, 2 silberne Becher pro Familie, Ein Jahresvorrat an Brotfrucht, Wein, Brennholz, Viehfutter und Stroh.

46% der Steurpflichtigen unter 20 fl
27% 20 bis 10 fl
14% 100 bis 400 fl
13% 400 fl und mehr.
1,7 % mehr als 10.000 fl.

Laut einer Verordnung von 1458 müssen Bürger mit einem Vermögen von 500 fl einen Jahresvorrat an Getreide vorrätig halten plus 5 Achtel für den Rat. Offenbar ist mit dieser Grenze, die etwas weniger als ein fünftel der Bürger umfasst, eine Grenze für Wohlstand.

Interessanterweise ist das Vermögen der meisten Bürger geringer als man dies beim Einkommen vermuten würde. Die Gründe dafür lassen sich möglicherweise im dritten Teil dieses Betrachtung finden, der wich mit den Kosten für Unterkunft und Kleidung beschäftigt.

Literatur:

Dirlmeier, Ulf: Untersuchungen zu Einkommensverhältnissen und Lebenshaltungskosten in oberdeutschen Städten des Spätmittelalters, Heidelberg 1978
Joseph, Paul:
Die Münzen von Frankfurt am Main, Nachdruck der Ausgabe von 1896, Einbeck 2016
Pies, Eike: Löhne und Preise von 1300 bis 2000, Wuppertal 2014
Rittmann, Herbert:
Deutsche Münz- und Geldgeschichte der Neuzeit bis 1914, Solingen 2003
Rottmann, Michael:
Die Frankfurter Messen im Mittelalter, Stuttgart, 1998
Weiss, Hildegard:
Lebenshaltung und Vermögensbildung des mittleren Bürgertums, München 1980

Hinterlassen Sie eine Antwort