Nachdem wir nun das Geld im Frankfurt des Jahres 1475 kennengelernt haben und die Einkünfte untersuchen konnten, kommen wir nun zu den Ausgaben.
An den Beginn dieser Betrachtung der Kosten wollen wir die Rechnung des Ravensburger Handlungsdieners Lutz Gessler für einen Aufenthalt in Nürnberg vom 27.10.1477 bis 27.10.1479 stellen. Natürlich sind derartige auswärtige Kosten höher als im normalen Umfeld, aber als Maximalwert ist das ein guter Einstieg.
Ein Handelsdiener ist der Beauftragte eines Kaufmanns oder eine Handelsgesellschaft, der als Gesandter die Interessen nach außen vertritt ohne selbst Partner zu sein. Heute würde man vom unteren bis mittleren Managment sprechen, dem entsprechend kann man durchaus gepflegtes Auftreten, aber keinen Reichtum erwarten.
Besagter Lutz Gessler residierte nun fast genau zwei Jahre in Nürnberg und präsentierte folgende Rechnung:
99 Wochen beim Wirt „gesessen“: 99 fl
Kleidung: 31,75 fl
Wein, Bier, Holz, Badegeld: 18,075 fl
Auswärtige Aufenthalte (5 Wochen): 16,4 fl
Summe: 165,225 fl
Damit hätten wir pro Jahr Unkosten von etwas über 82 fl rh für Wohnung, Nahrung, Kleidung, zusätzliche Ausgaben. Nach den zahlen aus dem letzten Artikel deutlich mehr als ein Handwerksmeister verdienen konnte und eher dem Budget der höheren Einkommensschichten entsprechend. Genau diese Kosten wollen wir in den folgenden Artikeln im einzelnen betrachten:
Unterkunft:
Bei den Kosten für Unterkunft haben wir es natürlich mit einer Sonderform zu tun, nämlich dem Wohnen in einer Herberge oder eine vergleichbaren Unterkunft. Üblicher waren natürlich zwei andere Möglichkeiten, nämlich das wohnen zur Miete und der Hausbesitz. Interessanterweise ist das wohnen zur Miete in spätmittelalterlichen Städten schon ausgesprochen verbreitet. Hier handelt es sich aber nicht um Wohnungen im heutigen Sinn sondern eher um vermietet Häuser, die aber durchaus von zwei Parteien bewohnt sein konnten.
Fallbeispiele für den Hauszins im Jahr:
Maurerpolier, Freiburg,1473: 2 fl
Nachrichter, Basel, 1469: 2,6 fl
Bierbrauer, Frankfurt, 1409: 5 fl
Städtischer Büchsenmeister, Nürnberg, 1445: 8 fl
Stadtschreiber Augsburg, 1450: 10 fl
Hauptmann, Rottenburg, 1453 14,1 fl
Stadtarzt, Ulm 1418: 15 fl
Hauszins nach sozialem Stand:
unter 1,5 fl = unterbürgerlich
1,5 bis 5 fl = kleinbürgerlich
5 bis etwa 20 fl bürgerlich-wohlhabend.
Interssanterweise finden sich sogar wohhabende Bürger die selbst Häuser besitzen und vermieten, dabei aber selbst zur Miete wohnen. Ein Grund kann dabei auch soziale Flexibilität sein, denn es gibt Beispiele die recht häufig umziehen um ein Haus entsprechend ihres sozialen Standes zu bewohnen.
Zur Qualität dieser Mithäuser findet sich eine aufschlussreiche Quelle aus Frankfurt:
Der Patrizier J. Rohrbach schreibt 1496 in sein Tagebuch, seine Mutter habe den Hof innen und außen renovieren lassen samt: „allen zinshuseren darbi…ußgenommendas hinderst zishuß im geslin das alsounrein ward gehalten durch die darin wohnend, das man darumb nit moch dasselbig huß mit estrich beschlagen.“
Dagegen werden zwei weitere Häuser „ganz ußbereit“ und mit neuen Öfen ausgestattet.
Von allgegenwärtigem Schmutz bzw. der Gleichgültigkeit disebezüglich kann als keine Rede sein.
Fallbeispiele für Häuserpreise:
Haus der Bettlerbruderschaft, Straßburg, 1433: 28 fl
Schusterhaus, Biberach, 1438: 36 2/3 fl
Haus des Maurerpoliers aus obiger Liste, Freiburg,1473: 40 fl
Haus für einen Kaplan, München, 1475: 80 fl
Haus eines Scheiners, Nürnberg, 1440: 150 fl
Haus eines Plattners, Nürnberg, 1496: 400 fl
Haus des Stadtarztes, Frankfurt, 1486: 480 fl
Patrizierhaus, Frankfurt, 1476: 800 fl
Das Dürerhaus in Nürnberg 1509: 275 fl (und 278 fl Zinsablösung)
Haus eines Bergwerksbesitzers, München, 1487: 1000 fl
Der jährliche Mietzins für ein Haus liegt damit ungefähr zwischen 5 und 10% des Wertes, ein Wert der als recht übliche Verzinsung angesehen werden kann. Die Kosten für Unterkunft zur Miete, zwischen 10 und 20% des Lohnes, im Schnitt als weniger als wir heute aufwenden müssen.
Interessant ist das die Kosten für einen Hauskauf recht gering erscheinen. Ein Haus liegt nur bei etwa einem oder zwei Jahreslöhnen. Eigentlich sollte man denken, dass damit der Erwerb einer Immobilie umso verlockender wäre, trotzdem gibt es Hinweise darauf, das bis zur Hälfte der Haushalte zur Miete gewohnt haben.
Die Mietkosten im obigen Beispiel des Lutz Gessler, sind damit aber offenbar für eine recht gute Unterkunft, denn 52 fl rh im Jahr hätten auch für ein durchaus ansehnliches Handwerkerhaus des Mittelstandes gereicht.
Zur Qualität der Unterkünfte lässt sich aus Schriftquellen natürlich wenig sagen, ein interessantes Beispiel haben wir aber aus Nürnberg, wo der Rat 1488 15 Häuser zur Vermietung an zuziehende Barchentweber errichten ließ. Diese Häuser hatten eine Grundfläche von 8,2 x 7,2 m, ein steineres Erdgeschoß mit Werkstatt und zwei Fachwerkobergeschosse als Wohnräume. Allerdings hatte jedes Obergschoss hatte eine eigene Kochstelle, kann also als eigene Wohneinheit aufgefasst werden. Damit würde jede Wohnung eine Stube mit Ofen, eine Küche mit Kochstelle und eine unbeheizbare Kammer aufweisen, bei einer Gesamtfläche von 45 m2 und einer Raumhöhe von 2,65 m.
Der Mietzins betrug zwischen 2 und 2,5 fl im Jahr. Das diese Wohnungen für Familien vorgesehen waren, geht aus dem vertraglichen Recht hervor, das Meisterwitwen ein Anrecht auf Wohnung im zweiten Obergeschoss hatten.
Damit haben wir ein sehr gutes Beispiel für das untere Ende der kleinbürgerlichen Skala.
Zu den Wohnkosten kommen natürlich noch das was wir heute als Betriebskosten bezeichnen würden, nämlich Kosten für Brennholz und Beleuchtung.
Beispiele für Brennholzkosten:
Deutschordenskommende Straßburg, 1413: 1,55 fl pro Kopf und Jahr
Deutschordenskommende Basel, 1413: 2,17 fl pro Kopf und Jahr
Städtischer Maurermeister Nürnberg, 2. Hälfte 15. Jhdt: 2 fl im Jahr
Haushalt eines Ratsmitgliedes, Zürich, 1422: 4,7 fl im Jahr
Haushalt anderer Bürger, Zürich, 1422: 3,5 fl im Jahr
Haushalt eines Nürnberger Patriziers, 1507: 25 fl im Jahr
Überraschenderweise können die Kosten für Brennholz demnach die Hälfte der Wohnkosten erreichen, dazu kommen noch die Kosten für Beleuchtung. Diese werden gerade bei Pfründen recht detailliert aufgeführt. Man kann zwischen Wachs oder Unschlitt (Talg) als Leuchtmittel unterscheiden, die Kosten werden bei Pfründnern, also meist einzeln lebenden Menschen mit 1 bis 2 Hellern pro Nacht angegeben, 0,5 fl rh im Jahr sind aber ein durchaus realistischer Wert.
Gleichzeitig finden sich in auch Mengenangaben, die von 20 Lichtern pro Woche für einen Spitalspfarrer bis zu einem Licht am Samstag für Bewohner im Spital von Bruchsal reichen.
WOW! Sehr interessante Einblicke in diese Zeit.
Tolle Seite!
VG
Daniel