Unter dem Video über die Geschichte des Mülls auf Youtube (https://youtu.be/GIE2cfC9iiA)
findest sich angepinnt folgender Kommentar:
Liebe Kritiker, wer Fernsehdokumentationen macht, kann sich irren. Und wenn man uns Irrtümer nachweist, werden wir die letzten sein, die abstreiten, dass sie bei der Darstellung eines Sachverhalts daneben lagen. Das werden die bestätigen, die uns Fehler nachgewiesen haben. Mitunter haben wir sogar Filme nachträglich geändert. Etwas anderes ist es, wenn man uns nachsagt, – und das geschieht in manchen Kommentaren hier implizit – dass wir bewusst Geschichte verfälschen, um irgendwelcher „Narrative“ willen. Dagegen müssen wir uns verwahren. Das ist eine völlig frei erfundene Unterstellung. Denn: Welchen Zweck sollten wir mit unserer Geschichtsklitterung verfolgen? Und hinzukommt, dass die verbale Auf – und Entrüstung in manchen Kommentaren bei nüchterner Betrachtung in einem deutlichen Missverhältnis zu den tatsächlichen Kritikpunkten steht. Um auf die drei wichtigsten Kritiken, die sich in den Kommentaren hier finden, einzugehen:
1. Angeblich stellen wir das Mittelalter immer negativ dar. Eine seltsame Unterstellung angesichts der Tatsache, dass wir alleine während der letzten 10 Jahre rund 50 Programme gesendet haben, die sich ganz oder teilweise dem Mittelalter gewidmet haben. Warum sollten wir so viel Geld und Mühe in die Darstellung einer historischen Epoche investieren, die wir eigentlich für den „schlimmsten Ort der Geschichte“ halten, wie es ein Kommentar unterstellt? Dass die hygienischen Verhältnisse im Mittelalter – darum geht es hier – im Vergleich zu heute zu wünschen übrigließen, daran kann man nicht ernsthaft zweifeln. Es ist eher so, dass die aus der Antike überlieferten, „mittelalterlichen“ Überzeugungen noch viel länger wirkten als man denkt. Noch Mitte des 19. Jahrhunderts wollten Chirurgen und Geburtshelfer nichts vom Händewaschen wissen und glaubten selbst bedeutende Mediziner nicht an Krankheitserreger. Noch einmal: es liegt uns völlig fern, das Mittelalter abzuwerten, aber wir sehen auch keine Veranlassung, es romantisch zu verklären. 2. Wie haben sich die Römer den Hintern abgewischt? Auch in dieser sehr speziellen Frage sollen wir angeblich die Tatsachen verfälschen. Wir sind anderer Überzeugung: Auf den öffentlichen Toiletten in Rom kamen sog. „Xylospongia“ zum Einsatz. Das waren Naturschwämme, die am Ende eines ca. 30 cm langen Stockes befestigt waren. Die meisten Historiker gingen und gehen auch heute noch davon aus, dass diese Schwämme zum Säubern des Hinterns nach dem Toilettengang verwendet wurden. Danach wurden sie in fließendem Wasser ausgewaschen und vom nächsten benutzt. Siehe aktuelle Ausstellung: https://www.mdr.de/nachrichten/sachsen/bautzen/bautzen-hoyerswerda-kamenz/drauf-geschissen-ausstellung-barockschloss-rammenau-100.html In einem Vortrag aus dem Jahr 2009, der 2012 in einem Sammelband publiziert wurde, widerspricht der Wiener Archäologe Gilbert Wiplinger dieser Theorie der Verwendung des „Xylospongium“ und tritt dafür ein, dass es sich dabei um eine „Klobürste“ gehandelt habe, die lediglich zur Reinigung der Toilette gedient habe. Aber bei genauer Überlegung macht eine Klobürste bei einem Plumpsklo nicht wirklich Sinn. Tatsache ist, dass es keine präzise Beschreibung der Verwendung aus der Antike gibt. Der innere Widerstand, den ein moderner Mensch gegen die im Film beschriebenen Vorgang empfindet, bedeutet nicht, dass das Xylospongium nicht tatsächlich so verwendet wurde. Aus heutiger Sicht ebenso befremdlich ist ja schon der Umstand, dass die Toiletten nicht nach Geschlechtern getrennt waren und auf jede Privatsphäre verzichteten. Und das ist gänzlich unbestritten. 3. Im Zusammenhang mit dem Pferdemist in den modernen Metropolen wird die Verwendung eines historischen Fotos aus New York kritisiert. Im Gegensatz zu der Behauptung in einem der Kommentare unten sagen wir keineswegs, es handele sich um eine Szene aus London. Im Kommentar heißt es: „Das Problem betrifft alle großen Städte von London, über Paris bis New York“. Dass das Foto eine winterliche Szene zeigt und ein Teil der Dreckberge aus Schnee bestehen, wollen wir gar nicht bestreiten. Aber der Schnee ist ganz offensichtlich von Dreck – und das war eben in erster Linie Pferdemist – durchsetzt. Die Dramatik der „Great Horse Manure Crisis“, wie es in den amerikanischen Geschichtsbüchern heißt, vermittelt sich auf vielen historischen Fotografien, auf denen sich die Mistberge mindestens genauso hoch türmen, wie in dem kritisierten Foto – und wir zeigen ja einige davon, was die Kritiker aber keiner Erwähnung wert finden. Dieses besondere Foto fand Eingang in den Film, weil es sich im Unterschied zu vielen anderen Fotos in einem technisch guten Zustand befindet. Auf jeden Fall lässt sich aus der Verwendung des Fotos nicht ableiten, dass die „Pferdemistkrise“ nicht tatsächlich existiert hätte oder von uns maßlos übertrieben worden wäre. Noch einmal: für sachliche Kritik sind wir jederzeit empfänglich. Aber bleibt in Euren Urteilen fair und hinterfragt das „Geschichtsfenster“ genauso kritisch wie unsere Filme.
In den Kommentaren findet sich ungewöhnlich viel Kritik am gezeigten und Geschichtsfenster wird mindestens achtmal erwähnt, jedes mal im Tenor das man sich schon auf unsere Reaktion freut.
Tatsächlich freut es uns sehr zu sehen, dass zumindest ein wenig öffentliche Kritik entsteht, denn bisher war Terra X das schon ziemlich Teflonbeschichtet.
Wir haben folgenden Kommentar dazu geschrieben:
„Hey, Terra X weiß, dass es meinen Kanal gibt. Der Wahnsinn! Meine Reaktion geschaut hat aber wohl keiner, denn darin sage ich gar nichts zu den Xylospongia. Nicht ein Wort. Ich sage ziemlich viel zum Mittelalterteil, wozu ihr halt keine Stellung nehmt. Bedauerlich. Auch zur oben als Argument gebrachten Causa Semmelweis solltet ihr nochmal nachlesen. Da geht es um den Besuch der Ärzte am Kindbett der Mütter. Bei Operationen selbst war Händewaschen schon sehr lange üblich. Es gibt genau dafür schon spätmittelalterliche Quellen.
Die Sache mit dem Foto ist dann aber eben genau so ein Beispiel für einen Fehler und ganz offenbar nehmt ihr das eben nicht an. Denn das Bild wurde nicht nur in seiner Färbung veändert, es wurde auch so stark zugeschnitten, dass man den freien Gehweg auf der rechten Bildseite nicht sieht. Es gibt schlicht keine Bilder, die diesen behaupteten Mistberg zeigt, dafür findet man zeitgenössische Methoden den Pferdekot aufzufangen. Und alle sonstigen Aufnahmen dieser Städte in eurer Doku zeigen erstaunlicherweise freie Straßen ganz ohne Kothaufen. http://www.geschichtsfenster.de/2022/06/04/faktencheck-terra-x/
Und wenn ihr hier schon den Begriff „Great Horse Manure Crisis“ verwendet, dann wisst ihr natürlich auch, dass der Begriff sehr neu ist und sich auf einen Artikel der Times aus dem Jahr 1894 bezieht, in dem eine solche Situation als Prognose für die Zukunft beschrieben wird, nicht als Zustandsbeschreibung. Aber ich frage mich schon, was ihr erst macht, wenn ihr Zahlen seht, wie den 55 Tonnen Hundekot, die laut Berliner Umweltverwaltung täglich in der Stadt anfallen.
Schade, dass der Riese Terra X, der mit jeder Sendung Hundertausende erreicht, so wenig souverän mit der Kritik eines Zwerges wie meinem Kanal umgeht. Ich bedaure im übrigen sehr, wenn in den Kommentaren Vorsatz unterstellt wird. Ich tue das nicht. Aber ich sehe das Problem, dass solche Produktion die Glaubwürdigkeit der Medien untergraben.“
Dieser Eintrag wurde am Donnerstag, Juni 16th, 2022 um 22:01 veröffentlich, und ist unter Allgemein abgelegt. Sie können alle Antworten zu diesem Eintrag durch den RSS 2.0 feed verfolgen.
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