Kulturvermittlung
In den fünfziger Jahren hat Freeman Tilden das Konzept der Heritage Interpretation entwickelt, das sich am ehesten als Kulturvermittlung ins Deutsche übertragen lässt. Damit ist eine Methode der Wissensvermittlung gemeint, die Beziehungen und Hintergründe durch die Benutzung von Zeugnissen, Erfahrungen aus erster Hand und durch darstellende Medien erläutert.
Seit den achtziger Jahren haben nun Gruppen und Einzelpersonen verstärkt damit begonnen, in historische Darstellungen zu schlüpfen und das Mittelalter experimentell nachzuerleben. Ursprünglich ging es dabei um die Nachstellung von Schlachten und militärischer Ausrüstung, sehr bald trat aber der zivile Bereich in den Fokus des Interesses und es wurden alte Handwerke wiederbelebt und jeder Aspekt des damaligen Alltagslebens erforscht.
Aus diesen Nachstellungen und der experimentellen Archäologie sind wiederum neue Techniken der Wissensvermittlung hervorgegangen, die Living History. In Großbritannien und Skandinavien gehören solche Vorführungen längst zum Museums- und Schulalltag und auch deutsche Freilichtmuseen bemühen sich zusehends um solche Darbietungen. Vor allem im angelsächsischen Raum haben aber auch große international renommierte Museen sich solcher Darstellungen angenommen.
Geschichte als Erlebnis aufzubereiten verbessert die kognitiven und emotionalen Anteile am Lernprozess. Durch den praktischen Umgang mit den Gegenständen wird ein eigenständiges Begreifen gefördert, und die Möglichkeit des Wechselspiels zwischen Darsteller und Publikum ermöglicht es, die historische Situation mit der heutigen Lebenswelt zu vergleichen und so nicht nur historische Zusammenhänge zu erfahren, sondern sich selbst und die heutige Gesellschaft durch Vergleich zu verstehen.
Um das zu erreichen, agieren historische Darsteller weit ab der üblichen Mittelaltermärkte, die allenfalls eine diffuse Atmosphäre eines romantisierten Mittelalters bieten, und arbeiten streng nach den erhaltenen Vorlagen unter Anwendung der historisch-kritischen Methode. In enger Zusammenarbeit mit aktueller historischer Forschung, Museen und Restauratoren werden dazu Quellen gesammelt, ausgewertet und auf dieser Grundlage Rekonstruktionen versucht.
Ein Beispiel für den hohen Aufwand bei der Rekonstruktion historischer Gegenstände. Der exakte Nachbau des Bodenfundes einer sogenannten Bauernwehr. Wie das Original besteht die Klinge aus Raffinierstahl und verfügt über eine angesetzte Schneidlage
Allzu oft werden dabei Vorstellungen, die sich allgemein festgesetzt haben widerlegt und relativiert und statt einer dunklen primitiven Zeit entsteht das Bild einer Gesellschaft, die bis ins Detail reguliert war und teilweise erstaunlich moderne Ideen verinnerlicht hatte. Im krassen Gegensatz dazu stehen andererseits Vorstellungen, die uns völlig fremd erscheinen.
Diese Widersprüche allerdings helfen uns dabei, die Geisteshaltung der Zeit zu verstehen und unseren eigenen Standpunkt anhand dieser Kontraste zu verorten.
Die Bandbreite an Darstellungstechniken innerhalb der Living History geht von reinen Vorführungen, wie sie im Museumstheater üblich sind über Schlachtennachstellungen und kostümierte Führungen bis zu moderierten Museumsobjekten. Der Unterschied liegt in erster Linie in der Art der Darstellung und der Kommunikation mit dem Betrachter.
Unsere Darstellung erfolgt üblicherweise in der sogenannten Third-Person-Interpretation, bei der der Darsteller zwar die Kleidung der Zeit trägt, aber selbst moderner Mensch bleibt und seine Vorführungen erklärend begleitet. Die First-Person-Interpretation, in der die Rolle gespielt wird, bietet sich eher für kurze Vorführungen an und wird häufiger im Museumsbereich bei Führungen angewendet.